Sprung zwischen innerer Welt und Wirklichkeit
Die Pflege eines Demenz-Patienten ist für Familienangehörige oder Pflegekräfte häufig mit starken Belastungen verbunden. Zu dem Themenabend Demenz „Ich vergesse das Leben“ am 9. September hatte das Ethik-Komitee des St. Marienhospitals Vechta alle Interessierten in das Niels-Stensen-Haus in Vechta eingeladen. Im Fokus stand dabei die Pflege von dementen Patienten im Krankenhaus, Zuhause und im Pflegeheim.
Sowohl Betreuende und Pflegende als auch Angehörige und Interessierte kamen an dem Themenabend zu Wort. Drei kompakte Vorträge lieferten Anstoß für eine intensive Diskussion. Darüber hinaus informierten Pflegende, Ergotherapeuten sowie eine Gerontologin über Aspekte ihrer Arbeit auf Posterbeiträgen.
„Patienten mit Demenz leben in ihrer eigenen inneren Welt und können teilweise auch nicht mehr in die reale Gegenwart zurückkehren. Sie vergessen das Leben. Deswegen ist es im Umgang mit Dementen wichtig zu versuchen, in ihre Welt zu schlüpfen, um eine Kommunikationsebene zu schaffen.“ berichtete Privat-Dozent Dr. med. Dietrich Doll, Vorsitzender des Ethik-Komitees am St. Marienhospital Vechta.
Bei der nicht selten auftretenden Alterskrankheit Demenz nehmen die Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses sowie die Denkfähigkeit ab. Betroffene verlieren an Orientierungsvermögen oder an Lern- und Urteilsfähigkeit. Auch das Sozialverhalten, die Motivation und die Persönlichkeit an Demenz erkrankter Patienten können sich zunehmend verändern. Oft bleiben aber Kompetenzen und Ressourcen zurück – zum Beispiel erlernte Tugenden wie Ordnungssinn und Fleiß oder das Langzeitgedächtnis. Auch individuelle Antriebe wie Eigenwille oder Kontrolle und Präferenzen wie beispielsweise die Liebe zur Musik, Natur oder Tieren können erhalten bleiben.
Sicherheit im Zusammenleben und im Umgang mit Dementen gibt das Wissen über die Erkrankung. Enttäuschungen und Resignation der Pflegenden können auf diese Weise oft vermieden werden. So können zum Beispiel auftretende Verhaltensveränderungen nicht von den Betroffenen willentlich gesteuert werden. Ganz im Gegenteil: Die Ursache wurzelt in der abnehmenden Leistungsfähigkeit des Gedächtnisses.
Die Herausforderungen und Schwierigkeiten, die im Zusammenleben und bei der Pflege mit einem Demenzkranken auftreten, können ganz unterschiedlich sein. Letztendlich hängen sie von verschiedenen Faktoren ab - zum Beispiel der Persönlichkeit des Betroffenen, dem Stadium der Erkrankung, den äußeren Lebensumständen und den spezifischen Fähigkeiten und Schwächen der betreuenden Person. Ebenso individuell müssen Lösungen für die Probleme gefunden werden.
Die Referenten erklärten, dass demente Menschen in einem hohen Maße an Bestätigung, Wertschätzung, Trost, Lob und Ermutigung bedürfen. Veränderungen können bei Betroffenen Angst hervorrufen. Wichtig seien deshalb neben ähnlichen Tagesabläufen auch Rituale. Diese ermöglichen den dementen Patienten mehr Stabilität und Orientierung.
Sehr eindrucksvoll und bewegend war der Erfahrungsbericht von Hildegard Frieling, die seit 14 Jahren ihre an Demenz erkrankte Mutter betreut. „Diese Pflege ist nur möglich wenn der Partner und die ganze Familie das mitträgt und man auch professionelle Hilfe in Anspruch nimmt“, erklärte sie.
Abschließend dankte Privat-Dozent Dr. med. Dietrich Doll im Namen des Ethik-Komitees allen Vortragenden und Interessierten für die interessanten Beiträge.